Neues aus der Rechtsabteilung
In dieser Rubrik erörtern wir jeden Monat ein anderes juristisches Thema.
Einen Überblick über alle bisher erschienen Themen finden Sie in unserem Mitgliederbereich.
Die letzten beiden Themen:
In einer Entscheidung vom 10.04.2024 hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf (Aktenzeichen 12 Sa 1007/23) Feststellungen zur rechtlichen Zulässigkeit einer Google-Recherche nach der DSGVO im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens getroffen. Auch wenn es sich bei der ausschreibenden Universität um einen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber handelt, ist die Entscheidung für privatrechtliche Arbeitgeber von Bedeutung.
Sachverhalt
Der Kläger ist Volljurist und Fachanwalt für Arbeitsrecht und wurde 2020 vom Landgericht München I erstinstanzlich wegen Betrugs in drei Fällen und versuchten Betrugs in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dem Kläger wurde vorgeworfen, vielfach fingierte Bewerbungen eingereicht zu haben, um potenzielle Arbeitgeber anschließend wegen einer angeblichen Diskriminierung zur Zahlung von Entschädigungen (nach AGG) zu veranlassen. Über den Kläger und seine Verurteilung existierte ein Wikipedia-Eintrag. Das Urteil des Landgerichts München I wurde nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens vom Bundesgerichtshof im Mai 2022 aufgehoben.
Im Juni 2021 hatte sich der Kläger bei einer Universität auf eine befristet zu besetzende Stelle als Volljurist beworben. Der Kläger wurde zu Vorstellungsgesprächen per Videokonferenz eingeladen. In einem schriftlichen Auswahlvermerk wurde zur Auswahlentscheidung festgehalten, dass aus öffentlich zugänglichen Quellen zu entnehmen sei, dass der Kläger erstinstanzlich wegen gewerbsmäßigen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wurde und dieser Umstand, auch wenn das Urteil nicht rechtskräftig sei, bei der Stellenbesetzung berücksichtigt werden müsse. Die beklagte Universität erteilte dem Kläger eine Absage mit der Begründung, man habe sich für eine andere und qualifiziertere Bewerberin entschieden. Daraufhin verlangte der Kläger von der Universität die Herausgabe der Dokumentation des Bewerbungsverfahrens. Nachdem die Universität dies verweigerte, machte er seinen datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO geltend und verlangte Kopien der über ihn verarbeiteten personenbezogenen Daten. Der Kläger erhielt fristgerecht eine Auskunft der Beklagten sowie eine Kopie der geschwärzten Auswahlvermerke.
Anschließend machte er mit seiner Klage beim Arbeitsgericht unter anderem die Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte infolge einer – nach seiner Auffassung – rechtswidrigen Datenverarbeitung sowie verspäteten Beantwortung seines Auskunftsersuchens geltend und forderte von der Beklagten einen immateriellen Schadensersatz in Höhe von 5.000 € gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO.
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf
Das LAG Düsseldorf kam zu dem Ergebnis, dass die Google-Recherche des (öffentlichen) Arbeitgebers in diesem Fall rechtmäßig war. Die Recherche diente dazu, die Eignung des Bewerbers für die ausgeschriebene Stelle festzustellen und war gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b) DSGVO als vorvertragliche Maßnahme erforderlich. Vorvertraglich sei das Stadium der Vorbereitung und Anbahnung eines Vertragsverhältnisses. Das Merkmal der „Erforderlichkeit“ sei dann nicht erfüllt, wenn das im allgemeinen Interesse liegende verfolgte Ziel in zumutbarer Weise ebenso wirksam mit anderen Mitteln erreicht werden könne, die weniger stark in die Rechte der betroffenen Personen eingreifen. Die Urteilsbegründung betont zugleich, dass eine solche Recherche nur zulässig sei, wenn sie anlassbezogen erfolge. Vorliegend sei dies der Fall gewesen, da einem Mitglied der Auswahlkommission der Name des Bewerbers aus einem früheren Zusammenhang bekannt war.
Des Weiteren hob das LAG Düsseldorf hervor, dass ein Arbeitgeber, der durch eine Google-Recherche personenbezogene Daten erhebe, den betroffenen Bewerber darüber gemäß Art. 14 Abs. 1 lit. d) DSGVO informieren müsse. Diese Information müsse gemäß Art. 12 Abs. 1 S. 1 DSGVO präzise und spezifisch sein, insbesondere wenn die Daten – wie hier eine strafrechtliche Verurteilung – für eine Auswahlentscheidung relevant seien. Die Universität hatte diese Pflicht verletzt, indem sie den Bewerber nicht ausreichend über die erhobenen Daten informiert hatte.
Ein Verstoß gegen die datenschutzrechtlichen Informationspflichten führe allerdings nicht zu einem Beweisverwertungsverbot, wie es der Kläger behauptet hatte. Die strafrechtliche Verurteilung des Bewerbers durfte daher in die Auswahlentscheidung und den Rechtsstreit einfließen, da die Erhebung der Daten grundsätzlich rechtmäßig war (gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b) DSGVO). Das öffentliche Interesse an einer umfassenden Prüfung der Eignung des Bewerbers überwog in diesem Fall das Interesse an einer fehlerfreien Datenerhebung.
Lediglich aufgrund des Verstoßes gegen die DSGVO-Informationspflichten sprach das Gericht dem Bewerber einen immateriellen Schadensersatz in Höhe von 1.000 Euro zu. Das LAG Düsseldorf erkannte an, dass der Bewerber durch die unzureichende Information zum „bloßen Objekt der Datenverarbeitung“ gemacht wurde, was einen erheblichen Kontrollverlust bezüglich seiner personenbezogenen Daten darstelle. Denn die Grundsätze einer fairen und transparenten Verarbeitung personenbezogener Daten seien nur gewahrt, wenn die betroffene Person über die Existenz des Verarbeitungsvorgangs und die Zwecke der Verarbeitung unterrichtet werde (vgl. DSGVO-Erwägungsgrund Nr. 60). Dieser Kontrollverlust rechtfertigte den zugesprochenen Schadensersatz.
Praxishinweise für Arbeitgeber
Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen und rechtssicheren Handhabung von Bewerbungsverfahren, insbesondere im Umgang mit sensiblen personenbezogenen Daten.
Bewerber und Bewerberinnen sind anlässlich ihrer Bewerbung gemäß Art.12, 13 und 14 DSGVO über die Erhebung und Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache zu informieren. Diese Informationen, auf die Bewerber/innen beispielsweise mit der Eingangsbestätigung der Bewerbung hingewiesen werden können, sollten spezifisch auf die erhobenen Daten eingehen, insbesondere wenn Daten nach einer Online-Recherche für die Auswahlentscheidung verwendet werden.
Arbeitgeber sollten sehr sorgfältig abwägen, ob sie eine Google-Recherche im Bewerbungsprozess durchführen. Eine solche Online-Recherche sollte stets anlassbezogen und zweckgebunden sein. Von einer anlasslosen oder generellen „Google-Recherche“ ist aus datenschutzrechtlichen Gründen abzusehen.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig und eine Revision beim Bundesarbeitsgericht (Aktenzeichen 8 AZR 117/24) anhängig.
Um dem allgegenwärtigen Bedarf an Fachkräften besser gerecht zu werden, hat der Gesetzgeber am 23. Juni 2023 das sogenannte Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen. Dieses tritt in mehreren Stufen in Kraft. Zum Inhalt der zweiten Stufe, die zum 01. März 2024 in Kraft getreten ist, hatten wir mit einem Newsletter an dieser Stelle bereits berichtet.
Zum 1. Juni 2024 sind nun weitere gesetzliche Neuerungen in Kraft getreten. Diese nächste Stufe des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes beinhaltet die sog. Chancenkarte gemäß §§ 20a, 20b AufenthG n.F..
Hierbei handelt es sich um Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen bzw. eine Aufenthaltserlaubnis zur Suche nach einer Erwerbstätigkeit. Mit einer Chancenkarte können Personen aus Drittstaaten nach Deutschland einreisen, um sich eine geeignete Arbeitsstelle zu suchen, ohne bereits einen abgeschlossenen Arbeitsvertrag vorweisen zu müssen. Das Gesetz unterscheidet dabei zunächst in
- die Fachkräfte-Chancenkarte und
- die Punkte-Chancenkarte.
Die Erteilung der Chancenkarte steht im Ermessen der Behörde. Sie kann erteilt werden an Ausländer
- mit Eigenschaft als Fachkraft i. S. d. 18 Abs. 3 AufenthG n.F. (Fachkräfte-Chancenkarte) oder
- bei Erfüllung einer bestimmten Punktezahl nach Maßgabe von 20b Abs. 1 AufenthG n. F. (Punkte-Chancenkarte).
Als Fachkraft im Sinne des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes gilt gemäß § 18 Abs. 3 AufenthG wer eine inländische qualifizierte Berufsausbildung oder eine mit einer inländischen qualifizierten Berufsausbildung gleichwertige ausländische Berufsqualifikation besitzt (Fachkraft mit Berufsausbildung) oder einen deutschen, einen anerkannten ausländischen oder einen einem deutschen Hochschulabschluss vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss besitzt (Fachkraft mit akademischer Ausbildung).
Die Chancenkarte darf nur dann erteilt werden, wenn der Lebensunterhalt gesichert ist. Bereits in Deutschland befindlichen Personen darf die Chancenkarte nur erteilt werden, wenn sie bereits im Besitz eines Aufenthaltstitels sind. Nach § 20a Abs. 4 AufenthG darf die Punkte-Chancenkarte ebenfalls nur dann erteilt werden, wenn die Person über einen im Ausland erworbenen Berufsabschluss oder einen ausländischen Hochschulabschluss verfügt und mindestens einfache deutsche Sprachkenntnisse oder englische Sprachkenntnisse auf dem Niveau B2 nachweist.
Die genauen Merkmale für die Punktevergabe finden sich in § 20b Abs. 1 AufenthG, die insbesondere Qualifikationen, Sprachkenntnisse und Berufserfahrung in bestimmten Berufsgruppen beinhalten. Bewerber müssen mindestens sechs Punkte erzielen, um sich für die Chancenkarte zu qualifizieren. Diese sind nach der Vorgabe des Gesetzgebers beispielsweise bereits erreicht, wenn die Person ein Alter von 35 Jahren nicht überschreitet und über einen Abschluss einer ausländischen Berufsqualifikation, die den Vorgaben des § 20b Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entspricht, verfügt.
Die Erteilung der Chancenkarte erfolgt gemäß § 20a Abs. 5 AufenthG zunächst für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr (sog. Such-Chancenkarte) und kann aufgrund eines während des Aufenthalts gestellten Antrages der Person um bis zu zwei Jahre verlängert werden, wenn sie einen Arbeitsvertrag oder ein verbindliches Arbeitsplatzangebot für eine inländische qualifizierte Beschäftigung hat und die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat (sog. Folge-Chancen Karte).
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