
Neues aus der Rechtsabteilung
In dieser Rubrik erörtern wir jeden Monat ein anderes juristisches Thema.
Einen Überblick über alle bisher erschienen Themen finden Sie in unserem Mitgliederbereich.
Die letzten beiden Themen:
Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass Arbeitgeber vor Ausspruch einer ordentlichen Kündigung während der sechsmonatigen Wartezeit (§ 1 Abs. 1 KSchG) nicht verpflichtet sind, ein Präventionsverfahren gem. § 167 Abs. 1 SGB IX durchzuführen.
Sachverhalt:
In dem zu entscheidenden Fall hat die Arbeitgeberin gegenüber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer knapp drei Monate nach Beginn des Arbeitsverhältnisses eine ordentliche Kündigung ausgesprochen, weil sie ihn für fachlich ungeeignet hielt. Ihr war die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers bekannt Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage und vertrat die Auffassung, dass die Kündigung mangels einem vorher gem. § 167 Abs. 1 SGB IX durchgeführten Präventionsverfahren wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot (§ 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG i.V.m. § 134 BGB) nichtig sei. Die Vorinstanzen gaben der Arbeitgeberin Recht.
Entscheidung:
Das Bundesarbeitsgericht entschied in seinem nunmehr veröffentlichten Urteil vom 03. April 2025 (2 AZR 178/24) ebenfalls zugunsten der Arbeitgeberin und begründete dies insbesondere mit dem Wortlaut von § 167 Abs. 1 SGB IX. Die Auslegung der Norm ergebe, dass sie ausschließlich für Kündigungen im zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes gelte. Es wird auf das „Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten“ im Arbeitsverhältnis abgestellt. Damit werde erkennbar an die Terminologie des Kündigungsschutzgesetzes angeknüpft. Die Durchführung des Präventionsverfahrens sei zudem keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ausspruch einer Kündigung. Die Vorschrift enthalte gerade nicht die Anordnung einer Unwirksamkeitsfolge. Vielmehr sei sie eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Dieser fände aber nur im zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes Anwendung. Das Bundesarbeitsgericht führt damit seine Rechtsprechung zur identischen Vorgängerregelung des § 84 Abs. 1 SGB IX fort.
Praxishinweis:
Im Jahr 2024 hat eine Entscheidung des LAG Köln, nach der ein Präventionsverfahren auch schon innerhalb der kündigungsrechtlichen Wartezeit durchzuführen sei, zu einer erheblichen Verunsicherung bei Arbeitgebern geführt. Das Bundesarbeitsgericht hat dem nunmehr mit erfreulicher Deutlichkeit eine Absage erteilt. Den Entscheidungsgründen ist zudem zu entnehmen, dass das Präventionsverfahren auch im Kleinbetrieb gem. § 23 Abs. 1 KSchG ausgeschlossen ist.
Für Arbeitgeber ist aber zu beachten, dass ein Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung nach § 164 SGB IX auch während der Wartezeit besteht. Dieser Anspruch besteht unabhängig von der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetz
Im bestehenden Arbeitsverhältnis kann ein Arbeitnehmer selbst durch gerichtlichen Vergleich nicht auf seinen gesetzlichen Mindesturlaub „verzichten“. Entsprechende Vereinbarungen können erst nach Ablauf der Kündigungsfrist getroffen werden.
Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 03.06.2025 (Az: 9 AZR 104/24) ausdrücklich klargestellt.
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall, war zwischen den Parteien zunächst der Bestand des Arbeitsverhältnisses nach ausgesprochener Kündigung zum 30. April 2023 streitig. In einem gerichtlichen Vergleich vom 31. März 2023 verständigten sich die Parteien u. a. darauf, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung i. H. v. 10.000,00 Euro durch arbeitgeberseitige Kündigung zum 30. April 2023 endet. Darüber hinaus regelt Ziffer 7 des Vergleichs: „Urlaubsansprüche sind in natura gewährt.“
In einem Folgeprozess verlangte der Kläger von der Beklagten Abgeltung für die noch offenen sieben Tage gesetzlichen Mindesturlaubs aus dem Jahr 2023 in Höhe von insgesamt 1.615,11 Euro nebst Zinsen, weil der gerichtlich protokollierte Vergleich unwirksam sei – und bekam in allen Instanzen Recht!
Wie das BAG ausführt, ist die Vereinbarung, Urlaubsansprüche seien in natura gewährt, gemäß § 134 BGB unwirksam, soweit sie einen nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG unzulässigen Ausschluss des gesetzlichen Mindesturlaubs regelt.
Weder der gesetzliche Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub noch ein erst künftig – mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses – entstehender Anspruch auf Abgeltung gesetzlichen Mindesturlaubs darf im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt werden. Dies gilt selbst dann, wenn bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung regelt, bereits feststeht, dass der Arbeitnehmer den gesetzlichen Mindesturlaub wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht mehr in Anspruch nehmen kann.
Der bezahlte Mindesturlaub darf nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden. Im bestehenden Arbeitsverhältnis darf der Arbeitnehmer somit nicht gegen und erst recht nicht ohne finanziellen Ausgleich auf den gesetzlichen Mindesturlaub „verzichten“.
Nach der Entscheidung des BAG habe es keinen Raum für Unsicherheit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs gegeben, die durch Abschluss eines Tatsachenvergleichs zulässigerweise hätte beseitigt werden können. Mit anderen Worten: Trotz offensichtlicher Fehlerhaftigkeit des Vergleichs hat das Arbeitsgericht die Protokollierung vorgenommen.
Tipp:
Vereinbarungen, mit denen Arbeitnehmer auf ihren gesetzlichen Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsanspruch verzichten, können erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses wirksam getroffen werden.
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